Sam atmet genussvoll ein – Der Geruch von Terpentin dringt in seine Lungen.
Er atmet wieder aus. Es ist ein innerliches Anlaufnehmen. In affenartiger Geschwindigkeit lässt sein Arm den Pinsel über die riesige Leinwand tanzen, er holt schwungvoll mit nassem Pinsel aus und sieht den feinen Farbtropfen nach, wie sie auf die Leinwand niederprasseln und Halt finden.
Ein freudiges Lächeln zieht über sein Gesicht. Nichts kann ihn aufhalten oder blockieren. Seine Gedanken sind frei. Er ist offen für Eingebungen und den Moment, darauf zu achten. Dort wo sonst eine Farbe die andere trifft, die Farben durch impressionistischen Druck in feinen Streifen dem physikalischen Lauf folgend über die Leinwand fließen und sich am Boden in einem Rinnsal wiedertreffen, da verspürt Sam Sehnsucht nach einer Weite. Die Lust, diese noch jungfräulich riesige Fläche zu bewahren und atmen zu lassen lässt ihn fieberhaft arbeiten, immer an der Grenze entlang wohlwissend, dass mit einem Zuviel an Gestik alles vorbei sein kann.
Das erhöht natürlich die Spannung, aber liegt nicht auch in der Zerstörung eine Chance? Eine Gradwanderung. Das Gefühl ist greifbar, ein Bild zu schaffen, in welchem sich die Erkenntnisse vergangener Bilder finden, um gleichzeitig einen neuen Impuls auszudrücken, die Quintessenz des Vergangenen erleben zu lassen. Alle anderen Bilder mussten gemalt worden sein, um die Reife für dieses eine zu erlangen. Dieses Bild verspricht gewaltiger zu werden als all die anderen, die erzählerisch mit dem Betrachter spielen.
Übermütigen Kleckse, kurvigen Pinselstriche, ausladenden Spritzer begrenzen sich auf den Bildrand. Neugierig tastet sich Farbe an die große Bildfläche heran. Dieser Raum bleibt aber frei von Farbe und somit unterstützt jeder Pinselstrich die große Leere. Welch ein Erlebnis für den Maler und die späteren Betrachter. Spürbar wird unsere Vorstellungskraft herausgefordert. Individueller kann dieses monumentale Werk kaum wahrgenommen werden.
288 Wörter
Ich folge der wunderbaren Schreibeinladung für die Textwochen 06.07.21:
Die Wörter für die Textwochen 06/07 des Schreibjahres 2021 stiftete zum ersten Mal Torsten mit seinem Blog Wortman. Sie lauten:
Affe
neu
blockieren.
auf Irgendwas geht immer.
Die Spielregeln sind: Drei Begriffe in maximal 3oo Wörter zu verpacken, die Textart ist egal.
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Experimente mit Bildern sind spannend.
Einen Blick in den Himmel kann nie schaden.
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Christiane (Samstag, 13 Februar 2021 18:29)
Ich male nicht, von daher finde ich es interessant, Schilderungen des Prozesses zu lesen. Ich wüsste gern, wie das Bild am Ende ausgesehen hat ... ;-)
(Sorry, dass ich so spät bei dir bin. Gestern und heute war ich nur unregelmäßig am PC, und bei dir kann ich nicht über Handy kommentieren – Wordpress lässt mich nicht :-( –, deshalb bin ich nicht früher dazu gekommen, meine "Schreibschulden" aufzuholen.)
Herzliche Wochenendgrüße! :-D
Doro (Samstag, 13 Februar 2021 18:50)
Liebe Christiane,
ich male - aber nicht dieses Bild. Das ist gemalt worden von Sam Francis und heißt "When White". Wenn Du es googeln magst, dann kannst Du es betrachten. Als ich es sah konnte ich nicht anders, ich habe es erlebt in all seinen Momenten mit all meinem Sehnen nach Pinsel und Leinwand und mir einfach vorgestellt, wie er es gemalt haben könnte. Das ist also einfach nur erfunden. Aber hätte können auch so sein.... :-)
Das mit dem Kommentieren geht mir mit Wordpress auch so, deshalb bin ich auch gelegentlich so zeitverzögert unterwegs. Das tut Deinem wohlwollenden Kommentar keinen Abbruch.
Vielen Dank dafür und herzliche Wochenendgrüße zurück
Doro
Werner Kastens (Sonntag, 14 Februar 2021 18:44)
Schöne Analogie auch zu uns Schreibenden, wenn wir über dem "weissen Blatt" sitzen!
Doro (Montag, 15 Februar 2021 09:12)
Hallo Werner,
Du hast recht, man hat öfters freie Flächen vor sich als man denkt....
LG Doro