Welch ein Tag, nicht zu warm aber auch nicht frisch -
Die Sonne leuchtet die Tür des kleinen Gebäudes an. Seit 10 Minuten steht Georg hier und weiß eigentlich nicht warum. Es hat nur so einen einladenden Eindruck gemacht, sich zu den Menschen dazu zu stellen. Irgend etwas Besonderes würde geschehen, die Luft ist voller Spannung, jeder der Anwesenden wartet. Immer noch jemand kommt dazu geeilt.
Auch Fanny blickt ungeduldig vom Mittagtisch auf. Sie sieht auf die Uhr und mahnt zur Eile. Ihre Mutter und sie lassen sich den Höhepunkt in der Woche ungern entgehen. Schnell stapelt sich das Geschirr in der Spüle – sie werden es später abwaschen, nach dem Kaffeeklatsch, der sicher stattfinden wird. Noch ein Blick in den Spiegel, eine Jacke über die Schultern und auf ging es für die Beiden. Die Ältere freut sich schon auf den Austausch mit den Nachbarinnen. Eilig laufen sie die Straße hinunter.
Rechtzeitig gesellen sie sich zu den anderen. Ihre Mutter beginnt sofort ein erfreutes Gespräch mit zwei Nachbarinnen. Fanny blickt sich suchend um, in der Hoffnung, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Ihr Blick bleibt an seiner Gestalt hängen. Ihn kennt sie nicht. Selten, dass ein Fremder bei solch einem Anlass dabei ist.
Die Gespräche der Leute schwellen an. Dort ein Lachen, ein emsiges Reden, Vermutungen werden ausgetauscht, mit schrillem Klang niederträchtig Geschichten aus den Vergangenheit aufgewärmt. Die Älteren blicken missbilligend nach den Tratschenden. Fanny aber ist wie erstarrt. Ihre Augen haften an dieser aufrechten Gestalt. Georg dreht sich um, sie sieht sein Lächeln, die Fältchen an seinen Mundwinkeln und ihre Blicke verfangen sich stumm. Flötentöne erklingen. Die Türe öffnet sich, das Brautpaar tritt heraus. Staunende Pause, dann jubelnder Applaus. Als die Braut auf Fannys Höhe ist, raunt sie ihr zu: „Du bist die Nächste,“und drückt ihr ihren Biedermeierstrauß in die Hand.
Ich folge der wunderbaren Schreibeinladung für die Textwochen 38.39.21:
Die Wörter für die Textwochen 42/43 des Schreibjahres 2021 stiftete die Frau Puzzleblume mit ihrem Blog Puzzle❀. Sie lauten:
Biedermeier
niederträchtig
flöten.
auf Irgendwas geht immer.
Die Spielregeln sind: Drei Begriffe in maximal 3oo Wörter zu verpacken, die Textart ist egal.
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Texte und Bilder sind eine große Faszination für mich. Hier gibt es mehr davon.
Bilder erzählen ihre eigenen Geschichten.
Die Stimmungstafeln sind eine kleine Lockerungsübung mit Motiv, Text und Farbe zu spielen.
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Olpo (Sonntag, 31 Oktober 2021 06:31)
Werner wird dir bestimmt erklären, daß du kein Haupt- sondern ein Zeitwort für 'flöten' nehmen hättest sollen, der achtet auf solche Kleinigkeiten - jedenfalls bei mir.
Sonst: Sternchen kann ich keines geben, weil die Möglichkeit dafür fehlt - hätte ich aber gern gemacht ... ;-)
Christiane (Sonntag, 31 Oktober 2021 09:48)
Was für ein überraschendes Geschichtenende – also, dass es eine Hochzeit ist –, schön, mag ich sehr! Hab mich in Gedanken direkt dazugestellt!
(Und ja, die "Flöte" ist nicht ganz regelkonform. Aber du warst natürlich wirklich hart an der Wörtergrenze.)
Ziemlich sonnige Sonntagmorgenkaffeegrüße! �⛅☕��
Doro (Sonntag, 31 Oktober 2021 10:13)
Hallo Olpo,
ich war gefangen, ich konnte nicht anders, ich wusste, ein kreativer Grenzgang aber ich war so von Leichtsinnigkeit gelenkt, ich ließ es mir durchgehen. Danke für die imaginären Sterne. Das freut mich sehr. LG Doro
Doro (Sonntag, 31 Oktober 2021 10:17)
Liebe Christiane,
das stell ich mir gerade vor und vielleicht wär ich auch dazugekommen und wir hätten ein Gespräch angefangen... Ich weiß ich weiß, die Regeln...es war aber so ein schöner Moment, da war ich megagroßzügig mit Worten und ja, 300 - früher viel heute knapp.
Gelbsonnige Vormittagsgrüße zurück
LG Doro
Werner Kastens (Sonntag, 31 Oktober 2021 14:58)
Nein, Werner wird nicht erklären. Er erklärt sich als Biedermeier für befangen und macht es sich auf seinem Plüsch-Sofa bequem und lächelt in sich hinein, weil die Sitte mit dem Brautstrauss nach wie vor weitergetragen wird.
Doro (Sonntag, 31 Oktober 2021 15:45)
Lieber Werner, wie schön - ich lächle auch ganz dolle - wir sollten ein neues BiedermeierZeitalter einläuten - Hipp hipp hurra!
Lg Doro